Freitag, 24. Oktober 2014

Ein ghanaischer Brauch, ein Festival und die Boti-Falls



Jetzt sind schon wieder mehr als zwei Wochen rum und es ist so viel passiert, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wo ich anfangen soll.
Seit ich vom letzten Wochenende Koforidua, von dem ich mich gemeldet habe, nach Mpraeso zurückgekommen bin, hat mich hier der Alltag schnell wieder eingeholt, was auch nicht verwunderlich ist, wie mir bestimmt einige von euch bezeugen können, wenn bei euch bald die Schule wieder anfängt. Wobei es etwas hoch gegriffen ist das überhaupt zu sagen, da ich ja nur für knapp drei Tage in Mpraeso geblieben bin, denn am Freitag sollte es von Koforidua aus mit einigen anderen Freiwilligen nach Akropong auf ein Festival gehen.
Trotzdem habe ich in dieser kurzen Zeit wieder einen neuen ghanaischen Brauch kennen gelernt: In „meiner“ Klasse fehlt seit mehr als einer Woche durchgehend ein Junge. Am letzten Dienstag war schon der siebte Tag, an dem er krank war. Deshalb wurden nach der großen Pause von 11.45 bis 12.30 etwa 15 Kinder aus der Klasse ausgesucht, die mit zwei Lehrern und mir mit dem Schulbus zu dem Jungen nach Hause gefahren sind. Die Fahrt war ziemlich eng, da in drei der Sitzreihen die alten Reifen des Busses lagen, trotzdem haben – wieder einmal zu meiner Überraschung – alle rein gepasst. Es ging einmal quer durch Mpraeso und schließlich hielt der Bus vor einem zweistöckigen Gebäude abseits von der geteerten Straße. Dort stiegen wir alle aus und wurden von den Leuten, die vor dem Haus saßen mit großem Hallo begrüßt. Sofort wurden Hände geschüttelt, nach Namen gefragt und sich nach dem Befinden von einem selber und der gesamten Familie erkundigt. Danach wurde der Junge aus dem Haus geholt. Er war sichtlich angeschlagen, freute sich aber über den Besuch seiner Klassenkameraden. Diese sang erst ein ghanaisches Lied für ihn und anschließend wurde für seine schnelle Genesung gebetet. Danach verabschiedeten sich alle und stiegen wieder in den Bus und es ging zurück zur Schule. Einen Tag später war der Junge wieder in der Schule – das Gebet wurde wohl erhört.
Am Donnerstag ging es dann für mich morgens los nach Nkawkaw und von dort aus mit dem Trotro weiter nach Koforidua, wo mich Jan und der Regionalsekretär wieder in Empfang nahmen. An dem Tag waren wir nur noch kurz in der Stadt, um noch das eine oder andere für die vorstehende Fahrt nach Akropong zu besorgen und kurz im Internetcafé vorbei zu schauen, wo die Verbindung jedoch leider zu schlecht für Skype war. Zurück im YMCA hieß es dann Rucksack packen und zu Abend essen. Es gab Fufu mit Light sup – sehr lecker.
Am Freitag hieß es dann für Jans Verhältnisse früh aufstehen. Um neun sollten wir uns mit den anderen Freiwilligen in Koforidua treffen, um gemeinsam nach Akropong loszufahren. Am Mittwoch gab es bereits ein Treffen in Koforidua, bei dem Jan feststellte, dass wir insgesamt etwa 50 andere Freiwillige treffen würden, sodass wir schon vor den vielen obrunis gewarnt waren. Am Treffpunkt sollten sich jedoch nur die etwa 25 Freiwilligen aus Koforidua und Umgebung treffen. Die anderen sind direkt von sich aus nach Akropong gefahren. Letztlich sind wir erst um 10.30 losgefahren – Ghana eben.
Nach ca. 45 min Fahrt kamen wir an dem Haus an, in dem wir planmäßig die nächsten drei Nächte schlafen sollten. In dem Haus gab es zwei große Räume, einen im ersten Stock und den anderen unten, sowie einen größeren Raum von dem ein Bad abging. Vor dem Haus waren Matratzen gestapelt, auf denen wir die nächsten drei Nächte schlafen sollten. Insgesamt gab es für ca. 60 Leute zwei Eimer-Duschen und zwei Toiletten, die sich jeweils in einem Raum befanden, sodass nur entweder die Dusche oder die Toilette genutzt werden konnten. Trotzdem gab es keinen allzu großen Stau. Wirklich toll war die Aussicht, die man von dem Balkon im oberen Zimmer bestaunen konnte.

Der Blick vom Balkon aus.


Nachdem wir die Rucksäcke alle in den Vorraum gestellt hatten und von diesem die Tür abgeschlossen war, wurden wir direkt mit den Trotros, mit denen wir gekommen sind, weiter nach Akropong gebracht, das noch etwa fünf Minuten Fahrt weiter lag. Dort kamen wir mitten im Festival an.
Überall liefen festlich gekleidete Leute herum und bald kamen wir auch zu dem Teil der Straße, bei dem die Chiefs in ihren Tragen in einem langen Umzug durch die Stadt getragen werden. Begleitet werden sie von lauten Trommeln, wobei es einmal Männer gibt, die die Trommeln auf ihrem Kopf tragen und einmal Männer, die hinter der Trommel herlaufen und die wildesten Rhythmen darauf spielen. Überall roch es nach verschiedensten ghanaischen Leckereien und die Menschen riefen wild durcheinander, sei es um die Aufmerksamkeit von einem Bekannten oder auch die des Chiefs auf sich zu lenken. Am Anfang waren alle noch etwas zurückhaltender was das Machen von Bildern betraf, da uns gesagt wurde, dass man dafür eine Erlaubnis braucht, für die man zahlen muss. Doch nachdem wir mehrmals ausdrücklich aufgefordert wurden, Bilder zu machen, legte sich diese Zurückhaltung recht schnell.
Der Organisator des Trips führte uns zu einer Stelle, die leider in der prallen Sonne lag, was den meisten einen ordentlichen Sonnenbrand bescherte – mich eingeschlossen. Von dort aus hatte man jedoch einen guten Blick auf den Umzug, wenn nicht gerade ein nicht abreißender Strom von Menschen zwischen einem selber und dem Umzug entlang lief.
Leider bekamen wir keine Erklärung zu dem, was da gerade vor uns geschah, weshalb wir uns etwas bruchstückhaft einige Informationen aus dem Reiseführer zusammensuchten. Nachdem die Chiefs auf ihren Tragen präsentiert worden waren, begannen die Tänze. Dies waren jedoch keine gewöhnlichen Tänze auf dem Boden, eher das Gegenteil. Der Chief tanzt auf einem Schild, das genau wie die Tragen von einigen Männern auf dem Kopf balanciert wird, und darf dabei nicht herunter fallen, da er sonst nicht mehr als Chief tragbar ist. Von diesen Tänzen haben wir leider nur noch die Anfänge gesehen, dann wurden wir aufgefordert die andere Hälfte der Gruppe zu suchen um zurück zum Haus zu fahren. Dabei haben wir auch schon mal die „Partymeile“ gesehen, auf der abends dann gefeiert werden sollte. Und obwohl noch kaum Leute anwesend waren, liefen die Boxen von den meisten Bars schon auf Hochtouren, sodass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Das sollte sich bis abends auch nicht ändern…


Trommler auf dem Umzug
Ein Chief - allerdings auf eigenen Beinen
Dieser Cheif wird von vier Männern auf den Köpfen getragen
Dichtes Getümmel auf der Straße
Auch Frauen werden in Ghana getragen
Trommeln - zu jeder Zeit des Festivals sehr präsent

Jeder Chief hat seinen eigenen großen, bunten Schirm,
der ihn meist vor der Sonne und mal auch vor zu neugierigen Blicken schützt
Begleitet wurden die Trommeln teilweise
auch von anderen ghanaischen Musikinstrumenten
Der Tanz auf dem Schild


Nachdem wir den restlichen Nachmittag in dem Haus etwas außerhalb von Akropong verbracht hatten, fuhren wir abends wieder in die Stadt, wo wir zunächst etwas aßen und dann auf die bereits erwähnte „Partymeile“ gingen. Hier war inzwischen deutlich mehr los als am Nachmittag. Wir gingen in eine Bar, bei der man nur einzeln nach einiger Musterung eingelassen wurde, was bei uns jedoch vermutlich aufgrund unserer Hautfarbe kein Problem war. Später stellten wir fest, dass wir Glück gehabt hatten, dass wir so früh gekommen waren und keinen Eintritt zahlen mussten. Hinter der Absperrung ging es in einen großen, mit Trennwänden abgetrennten Bereich mit Sandboden und vielen Tischen und Stühlen. An einem Fernseher an der Bar wurde Fußball gezeigt, falls es dabei jedoch Ton gab, wurde der von den Bässen der Musik verschluckt. In der Mitte der hinteren Wand stand ein großes DJ-Pult und zwei Männer waren eifrig dabei dafür zu sorgen, dass einem nicht langweilig wurde.
Nach einigem Herumrücken der Tische passten wir schließlich alle an einen Tisch und bestellten Getränke. Leider waren wir so viele, dass die eine Hälfte direkt vor zwei mannshohen Boxen saßen, bei deren Lautstärke mit jedem Trommelschlag die Luft vibrierte. Den Abend über wurde wenig geredet, aber viel getrunken und getanzt. Als ich schließlich irgendwann das Gefühl hatte, dass meine Ohren bald abfallen, beschloss ich mit ein paar anderen zurück zum Haus zu fahren. Doch dazu mussten wir erstmal aus der hintersten Ecke des Raumes nach vorne kommen, was sich als relativ zeitintensiv offenbarte, weil überall in den kleinen Räumen zwischen den Tischen getanzt und angetanzt wurde, so dass man kaum zwei Meter weit kam, ohne mit irgendwem zusammenzustoßen. Draußen angekommen, stellten wir fest, dass es dort kaum besseres Durchkommen gab. Zu der engen Straße und den vielen Menschen kamen auch noch einige Taxen, klein Busse und der eine oder andere LKW hinzu. Vor der Bar trafen wir noch andere aus der Gruppe, die uns warnten, dass bereits bei mehreren Sachen geklaut wurden und es bei etlichen schon versucht wurde. Mit den Wertgegenständen fest in der Hand haben wir uns dann durch die Menschenmassen gekämpft, die noch nicht mal für die Autos Platz machten. Ein, zwei Mal sind wir fast von einem Auto angefahren oder zwischen zweien eingequetscht worden. Angefasst wurde man sowie so die ganze Zeit, sei es nun der Griff in die Hosentasche oder der an den Hintern.
Wir waren alle heilfroh, dass zumindest wir vier ohne größere Verluste aus dem Gedränge heraus gekommen sind und auch schnell ein Taxi fanden, das uns zurück zu dem Haus brachte. Von dem Festival hatten wir erstmal genug.
Im Haus waren auch schon andere und wir saßen noch eine ganze Weil auf einer Terrasse und haben den Ansichten eines betrunkenen, deutschsprechenden Afrikaners zugehört.
Am nächsten Morgen waren alle ziemlich müde und manche sind gar nicht erst aufgestanden. Es gab keine Ansage, was den Tag über passieren sollte und so haben wir uns erstmal etwas zum Frühstücken besorgt. Danach saßen wir einfach in dem Haus herum und warteten auf – gar nichts. Irgendwann hieß es, dass wir wohl den Tag zur freien Verfügung haben und abends wieder auf das Festival gehen sollten. Eine kleinere Gruppe war bereits früh am Morgen aufgebrochen, um die Boti-Falls ganz in der Nähe von Koforidua zu sehen. Einige andere wollten diese auch noch sehen und da weder Jan noch ich besonders Lust darauf hatten nochmal das gleiche wie am Abend zuvor zu erleben, sind wir mit etwa fünfzehn anderen Volontären aus verschiedenen Städten am Mittag zurück nach Koforidua gefahren. Den Abend haben wir in einem Spot gleich neben dem Hotel, in dem die anderen geschlafen haben, verbracht. Das war zum einen deutlich leiser, auch wenn man sich immer noch gegenseitig ins Ohr rufen musste, wenn man sich unterhalten wollte, aber es waren deutlich weniger Menschen da.
Am Sonntagmorgen sollte es dann schon recht früh in Richtung Trotro-Station los gehen, doch ganz nach ghanaischer Art verzögerte sich die tatsächliche Abfahrt um eine gute Stunde – wir haben uns eben schon ziemlich gut hier angepasst.
Mit dem Trotro ging es dann schließlich doch los und nach 45 Minuten Fahrt waren wir am Eingang zu den Boti-Falls. Hier mussten wir erste Eintritt bezahlen und durften danach die teilweise sehr schweren Rucksäcke an der Kasse lassen. Einige sind ja direkt von dort aus weiter nach Hause gefahren.
Dann ging es los, aber nicht direkt zu den Boti-Falls, sondern erstmal auf eine etwa 1 ½ stündige Wanderung zum Umbrella-Stone und einer dreiarmigen Palme. Der Weg war ziemlich anstrengend, es ging bergauf und bergab und überall musste man auf Wurzeln und herausragende Steine achten. Für mich war das eine sehr willkommene Abwechslung zum sonstigen Alltag, wo ich pro Tag kaum einen Kilometer laufe. Irgendeine Form von Sport fehlt mir hier dann doch.
Unterwegs boten sich uns immer wieder schöne Ausblicke auf die ghanaische Landschaft.
 
Grüne Hügel, blauer Himmel - das ist Ghana

Unterwegs im ghanaischen Wald
 
Ausblick zwischendurch – unmöglich einfach weiter zu gehen
Ein kleines Stück Regenwald, wie man ihn sich vorstellt
Höhlen auf dem Weg. Hier haben mehrere hundert Menschen Platz

Ein Bach, durch den wir auf dem Weg laufen mussten

Erster Blick auf den Umbrella - Stone

Als wir schließlich nach einer halben Klettertour am Umrella-Stone ankamen, erwartete uns eine leichte Brise und ein weiterer wunderschöner Ausblick. Man könnte meinen, dass in diesem Teil der Welt gar keine Menschen leben. Keine Straßen, Gebäude oder Strommasten – nur Grün.

Der Ausblick



Danach ging es nochmal zehn Minuten einen Pfad entlang und wir kamen zur dreiarmigen Palme, die sich al relativ unspektakulär herausstellte, weshalb ich hiervon keine Bilder gemacht habe, sondern lieber die restliche Akkuzeit für die Boti-Falls aufgespart habe. Doch bevor wir diese bewundern konnten, mussten wir den ganzen Weg von der Palme aus wieder zurück laufen. Am Ende waren wir dann doch alle ziemlich müde und das Wasser lauwarm.
Zum Glück muss man von der Kasse aus nur eine lange Treppe runter laufen und man kommt direkt an die Boti-Falls – zwei große Wasserfälle, die in einem kleinen See landen und so einen leichten Sprühregen schaffen, der wunderbar erfrischend ist, wenn man sich richtig hinstellt.


Erster Blick auf die Boti - Falls noch vor der Treppe
Ein Baumriese am Rand der Treppe
Die Boti - Falls





Für die Ghanaer ist der Rechte der beiden Wasserfälle der männliche und das linke der weibliche. Wenn genug Regen gefallen ist, berühren sie sich in der Mitte.
Nachdem wir uns die Boti-Falls in Ruhe angeschaut haben und ein Gruppenbild gemacht haben, das ich leider noch nicht habe, gingen wir zurück zum Eingang, wo wir vor einem Problem standen: Wie kommen wir jetzt zurück nach Koforidua? Das Trotro, mit dem wir gekommen waren, ist gleich wieder gefahren und die, die an der Straße vorbei kommen sind meistens bis auf den letzten Platz besetzt. Jetzt hieß es an der Straße entlang laufen, bis zufälligerweise ein Trotro vorbei kommt, in das wir alle rein passen. Wir hatten Glück und es kam ein Trotro vorbei, in dem nur zwei Leute saßen. Der Fahrer gab ihnen einen Teil des bezahlten Geldes wieder und sie mussten den Rest ihres Weges laufen. Unsere Proteste interessierten den Fahrer herzlich wenig. Und so ging es mit dem „geklauten“ Trotro zurück nach Koforidua. Hier verabschiedeten wir die Leute, die direkt weiter nach Hause fahren mussten. Der Rest kam mit in den YMCA und schlief die Nacht über im Hostel.
Am Montag sind sie dann schon recht früh losgegangen, um auch nach Hause zu fahren. Mit einigen anderen, die noch auf dem Festival geblieben waren, sind Jan und ich dann noch zu einem Hotel gefahren, bei dem man gegen einen kleinen Betrag den Pool benutzen darf. Das war wirklich eine gute Erfrischung. In Koforidua ist es dann doch nochmal deutlich wärmer als bei mir auf dem Berg.
So viel zu dem kleinen Trip, der jetzt schon wieder mehr als eine Woche her ist. Ich komme mit dem Schreiben kaum nach.

Auf den nächsten Eintrag müsst ihr bestimmt nicht lange warten, solange das Internet mitspielt. Mit diesem Eintrag war ich eigentlich schon vor einer Wocher fertig.

Bis dahin.